Pressemitteilung
ÖDP reagiert mit Schreiben an Sozialministerin Scharf auf das Dementi
Mit großem Erstaunen hat die Kreis-ÖDP zur Kenntnis genommen, dass Sozialministerin Ulrike Scharf nun über die Presse dementieren lässt, dass Sie oder das Ministerium geäußert habe, dass das System Kinderbetreuung die Belastungsgrenze überschritten habe. „Es stellt sich hier schon die Frage ob die Ministerin Mitteilungen aus ihrem eigenen Haus nicht kennt. Oder wie es sonst zu diesem Dementi kommen konnte. Wir nehmen ja nicht an, dass hier bewusst die Unwahrheit gesagt wurde“, so die Kreisvorsitzende und Kreisrätin Gabi Olbrich-Krakowitzer. Die Pressemitteilung bezog sich auf ein arbeitsministerielles Schreiben vom 19.08.22, dessen Wortlaut „das System Kinderbetreuung die Belastungsgrenze erreicht und zum Teil bereits überschritten hat“ in der Sitzungsvorlage der Jugendhilfeausschusssitzung vom 07.11.2022 im Kreistag Augsburg abgedruckt war.
Auf das Dementi von Ulrike Scharf hat die ÖDP-Politikerin nun mit einem Schreiben an die Ministerin reagiert. Olbrich-Krakowitzer erbittet eine Klarstellung, warum diese Aussage nun in Abrede gestellt werde.
In dem Schreiben an die Ministerin kritisiert die Kreisrätin das Absenken der Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung durch Erhöhung der Betreuungsschlüssel, Absenken des Fachkräfteanteils, Wegfall von Sprachkenntnissen beim Betreuungspersonal in z.B. Einstiegskitas. Dies widerspreche dem von Ministerin Scharf behaupteten Ziel eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung auch in Zukunft sicherzustellen. Hingewiesen wird in dem Schreiben auf den von der Wissenschaft genannten Betreuungsschlüssel von 1 zu drei, max. aber 4 Kindern. Dieser wurde nun auf 1 zu 5 Kinder verschlechtert.
Das Absenken der Standards sei nichts weiter als ein Offenbarungseid für das Scheitern des augenblicklichen Systems Kita. In letzter Zeit seien in Kitas vermehrt Betreuungszeiten reduziert worden, weil zu wenig Personal vorhanden war. Der Druck auf Familien sei enorm. In vielen Gemeinden hätten die Eltern keine Betreuungsmöglichkeit weil Kita-Personal fehle. Für Erzieherinnen und Erzieher entstehe durch den Fachkräftemangel ein hoher Druck, was bei nicht wenigen zur Aufgabe des Berufes führt. „Wann, wenn nicht unter solchen Bedingungen ist bei Ihnen die Belastungsgrenze erreicht??“, will die ÖDP-Politikern von Scharf wissen.
„Es wäre höchste Zeit anzuerkennen, dass eine Fremdbetreuung nie für 100% der Kinder zur Verfügung gestellt werden kann und dass auch Eltern wertvolle Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Familie leisten können. Diese Erziehungsarbeit wird Eltern aber nicht entlohnt. Stattdessen zahlen die Eltern, die die Betreuungseinrichtungen nicht in Anspruch nehmen und damit das System entlasten, über Steuergelder diese Einrichtungen mit. Neben dem Verzicht auf Einkommen durch fehlende Erwerbstätigkeit erhalten diese Eltern später auch geringere Renten, weil Erwerbszeiten fehlen. Steuergelder fließen ausschließlich in die Betreuung außerhalb der Familie. Wo bleibt die Wertschätzung für die Erziehungsarbeit der Eltern?“, heißt es in dem Schreiben wörtlich.
Olbrich-Krakowitzer bekräftigte, dass es daher das Ziel der ÖDP sei den Eltern über die Zahlung eines Landesfamiliengeldes die Möglichkeit zu eröffnen, ohne finanziellen Druck entscheiden zu können ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in Fremdbetreuung geben wollen.
Mit der Bitte um Veröffentlichung und
mit freundlichen Grüßen
Gabriele Olbrich-Krakowitzer
P.S.: Das Schreiben an Ministerin Scharf finden Sie untenstehend
Sehr geehrte Frau Ministerin Scharf,
mit großem Erstaunen habe ich der heutigen Ausgabe der Schwabmünchner Zeitung entnommen, dass Sie von sich weisen davon gesprochen zu haben, dass das System Kinderbetreuung die Belastungsgrenze überschritten habe. Da stellt sich mir die Frage, wie in der Sitzungsvorlage des Landratsamtes Augsburg zur Jugenhilfeausschusssitzung vom 07.11.2022 folgendes stehen konnte (von mir farblich hervorgehoben):
Das Bayerische Sozialministerium für Familie, Arbeit und Soziales schreibt im Arbeitsministeriellen Schreiben vom 19.08.2022, dass. Dies ist offensichtlich ein Zitat aus dem Schreiben Ihres Hauses.
Ich bitte nun um Klarstellung, ob dieser Wortlaut nie von Ihrem Ministerium oder Ihnen stammte. Kann es vielleicht sein, dass Sie die Schreiben aus Ihrem Haus teilweise gar nicht kennen? Wenn nicht ist zu klären, wie das Landratsamt ein solches Zitat in die Sitzungsvorlage integrieren konnte. Sollte sich der Wortlaut tatsächlich im Schreiben des Ministeriums finden so bitte ich um Erläuterung, warum Sie diese Aussage nun in Abrede stellen.
Es mag das Ziel der Staatsregierung sein, auch in Zukunft eine hochwertige Kindertagesbetreuung sicherzustellen. Allerdings widerspricht die seit September vergangenen Jahres eingeräumte Möglichkeit der Betreuung in sog. Mini-Kitas und Einstiegsgruppen diesem Vorhaben. Hier ein Auszug aus der Sitzungsvorlage (von mir kursiv und teilweise farblich hervorgehoben):
1. Erweiterung des Modellprojekts Mini-Kita
- Erhöhung der Platzzahl von 12 auf 15 Kinder
- Absenkung des Fachkräfteanteils von bisher 50 % auf 33 %
- Anwesenheit von drei Beschäftigten (auch Kindertagespflegeperson mit Zusatzqualifikation vom StMAS als „Ergänzungskraft in der Mini-Kita“)
2. Einstiegsgruppen (neu) - rechtsanspruchserfüllend
Betreuung von Kindern bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren vor der regulären Einschulung mit Einschränkungen bei der Vermittlung der Bildungs- und Erziehungszielen.
Folgende Fördervoraussetzungen nach dem Bildungs- und Betreuungsgesetz
(BayKiBiG) entfallen:
- Sprachliche Förderung in der deutschen Sprache - § 5 Kinderbildungsverordnung (AVBayKiBiG)
- Sprachkenntnisse des pädagogischen Personals - § 16 Abs. 1 Satz 2 und 3 AVBayKiBiG
- Die Vorgabe der Fachkraftquote entfällt - § 17 Abs. 2 Satz 1 AVBayKiBiG
- Der Anstellungsschlüssel (1:11,0) kann mit nach § 16 Abs. 6 AVBayKiBiG zugelassenem Personal erfüllt werden.
- Mindestbuchungszeiten im Umfang von bis zu täglich 3 Stunden sind förderfähig.
Die Absenken der Standards ist nichts weiter als ein Offenbarungseid für das Scheitern des augenblicklichen Systems Kita. Als Oma und über Kontakte zu Erzieherinnen bekomme ich derzeit hautnah mit, mit welchen Problemen das Erziehungspersonal konfrontiert ist. Zeitweise müssen sich 2 Erzieherinnen um bis zu 12 Kinder kümmern wenn Kolleginnen ausfallen. Sie dürfen mir gern erklären, wie hier noch Bildung für Kinder bis 3 Jahren stattfinden kann. In letzter Zeit wurden in Kitas vermehrt Betreuungszeiten reduziert, weil zu wenig Personal vorhanden war. Der Druck auf Familien ist enorm. In vielen Gemeinden haben die Eltern keine Betreuungsmöglichkeit weil Kita-Personal fehlt. Wann, wenn nicht unter solchen Bedingungen ist bei Ihnen die Belastungsgrenze erreicht??
Die Wissenschaft spricht von einem Betreuungsschlüssel von 3, max. 4 zu eins bei Kindern U3. Wenn also eine hochwertige Kindertagesbetreuung das Ziel ist, dann sollte ein solcher Betreuungsschlüssel sichergestellt sein – auch dann, wenn eine Erzieherin wegen Schwangerschaft, Krankheit oder Fortbildung ausfällt. Solange der Betreuungsschlüssel auf dem Papier erfüllt ist hilft es weder den Kindern noch dem pädagogischen Personal in der Einrichtung. Es bedürfte also auch einer nicht geringen Zahl von „Springern“, wobei Sie sicherlich selbst wissen, wie wichtig gerade für die Kleinsten feste Bezugspersonen sind. Die oben ausgeführten Betreuungsmöglichkeiten widersprechen einer qualitativ hochwertigen Kindertagesbetreuung! Im Moment geht es also offensichtlich mehr um Betreuung als „Aufbewahrung und Beaufsichtigung“, damit die Kleinen einer Berufstätigkeit nicht im Wege stehen. Die Einrichtungen geben ihr Bestes, stoßen aber einfach an Grenzen. Nach meiner Recherche ist die Gruppenraumgröße bei Mini-Kitas auf minimal 40 qm als Spielzimmer festgelegt. Ist das korrekt? Meine Enkelkinder möchte ich nämlich nicht in einer solchen „Betreuungseinrichtung“ wissen. Bis zu 15 Kleinkinder und 3 Betreuer auf 40 qm entspricht gut 2 qm Platz pro Person und Möblierung braucht auch noch Platz. Rückzugsräume oder Ruheoasen sind dann wohl Fehlanzeige.
Es wäre höchste Zeit anzuerkennen, dass eine Fremdbetreuung nie für 100% der Kinder zur Verfügung gestellt werden kann und dass auch Eltern wertvolle Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Familie leisten können. Diese Erziehungsarbeit wird Eltern aber nicht entlohnt. Stattdessen zahlen die Eltern, die die Betreuungseinrichtungen nicht in Anspruch nehmen und damit das System entlasten, über Steuergelder diese Einrichtungen mit. Neben dem Verzicht auf Einkommen durch fehlende Erwerbstätigkeit erhalten diese Eltern später auch geringere Renten, weil Erwerbszeiten fehlen. Steuergelder fließen ausschließlich in die Betreuung außerhalb der Familie. Wo bleibt die Wertschätzung für die Erziehungsarbeit der Eltern?
Gerne können Sie mir erläutern, warum die Staatsregierung die Kindertagesbetreuung außerhalb der Familie als so wichtig und unverzichtbar hält und offensichtlich den Eltern eine Erziehungsfähigkeit abspricht. Es geht hier um die Kleinsten von 0-3 Jahren! Im Moment sehen sich viele Eltern gezwungen ihre Kinder aus finanziellen Gründen in eine Fremdbetreuung zu geben weil sie das Einkommen brauchen. Sie können sich aber nicht darauf verlassen, auch einen Betreuungsplatz für die Kinder zu bekommen. So entwickelt sich ein Teufelskreis, der nicht mit einer Absenkung der Qualitätsstandards durchbrochen werden kann, die wider jeglichem Rat von Fachleuten geht. Deswegen ist das Ziel der ÖDP den Eltern die Möglichkeit zu eröffnen, ohne finanziellen Druck entscheiden zu können ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in Fremdbetreuung geben wollen.
Ihrer Antwort sehe ich mit größtem Interesse entgegen und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Gabi Olbrich-Krakowitzer